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Die Photovoltaik-Industrie erlebt gerade ihren iPhone-Moment: Perowskit-Tandem-Solarzellen erreichen Rekordwirkungsgrade von 34,85% und übertreffen damit die physikalischen Grenzen herkömmlicher Siliziumzellen – während erste kommerzielle Module bereits ausgeliefert werden. Was 2019 als wissenschaftlicher Durchbruch in den Laboren begann, hat sich binnen fünf Jahren zur größten Revolution der Solarbranche entwickelt. Die Technologie verspricht nicht nur 20% mehr Energieausbeute bei gleicher Fläche, sondern auch eine Kostensenkung von bis zu 20% bei den Stromgestehungskosten.

Der entscheidende Wendepunkt kam mit der bahnbrechenden Veröffentlichung im Fachjournal Cell/Joule 2019, als Forscher um Axel Palmstrom erstmals flexible All-Perowskit-Tandemzellen mit über 21 % Wirkungsgrad demonstrierten.

Diese Innovation löste das fundamentale Problem der Materialverarbeitung: Durch eine revolutionäre Zwischenschicht aus ultradünnen Polymeren mit nukleophilen Hydroxyl- und Amingruppen gelang es, die empfindliche untere Perowskitschicht während der Lösungsmittelverarbeitung der oberen Schicht zu schützen.

Die Verwendung von Dimethylammonium-Formamidinium-Cäsium-Legierungen reduzierte zudem den problematischen Bromanteil auf nur 20 %, was die gefürchtete Phasensegregation verhinderte.

Die Geschwindigkeit der Kommerzialisierung überrascht selbst Experten. Oxford PV lieferte im September 2024 die weltweit ersten kommerziellen Tandem-Module an ein US-Versorgungsunternehmen aus – Module mit 24,5 % Wirkungsgrad, die bei gleicher Fläche 20% mehr Strom erzeugen als herkömmliche Siliziummodule.

Hanwha Qcells investierte 102 Millionen Dollar in eine Produktionsanlage in Südkorea und plant die Massenproduktion ab Juni 2026. Der chinesische Hersteller LONGi hält mit 34,85% den aktuellen Weltrekord, vom amerikanischen NREL zertifiziert.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Marktanalysten prognostizieren ein explosives Wachstum von praktisch null auf 2,7 Milliarden Dollar bis 2028, bei einer jährlichen Wachstumsrate von über 33 %. Die Produktionskosten sollen von derzeit 0,30-0,40 Dollar pro Watt auf unter 0,25 Dollar bis 2027 fallen – damit wären Tandemzellen kostengünstiger als konventionelle Siliziummodule.

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Durchbruch bei Stabilität und Skalierung

Die Achillesferse der Perowskite war lange ihre mangelnde Stabilität. Doch die jüngste Forschung zeigt bemerkenswerte Fortschritte: Das Helmholtz-Zentrum Berlin demonstrierte 2020 Tandemzellen mit 29,15 % Wirkungsgrad, die nach 300 Betriebsstunden ohne Verkapselung noch 95 % ihrer Leistung behielten.

Die Entwicklung selbstorganisierender Monoschichten als Lochkontakte verbesserte den Füllfaktor auf rekordverdächtige 84 %. Fraunhofer ISE entwickelt mit dem 15 Millionen Euro schweren Pero-Si-SCALE-Projekt eine Produktionsplattform für M12-Wafer im Industriemaßstab.

Besonders vielversprechend: Die neuen Slot-Die-Beschichtungsverfahren erreichen über 95 % Materialausnutzung und sind kompatibel mit Rolle-zu-Rolle-Prozessen. Dies ermöglicht die kostengünstige Massenproduktion auf bestehenden Anlagen. Die Verarbeitungstemperaturen liegen mit 150 °C um 90 % niedriger als bei der Siliziumproduktion, was den Energieverbrauch drastisch reduziert.

Game-Changer für Energiewende und Flächennutzung

Die Implikationen für die globale Energiewende sind gewaltig. Bloomberg NEF kalkuliert, dass die Welt bis 2030 elf Terawatt erneuerbare Kapazität benötigt – eine Verdreifachung gegenüber 2022.

Perowskit-Tandemzellen könnten den Flächenbedarf um 20 % reduzieren und gleichzeitig die Stromgestehungskosten auf 3,5 bis 4,9 Cent pro Kilowattstunde senken. Für Regionen mit begrenzten Flächen wie Deutschland ist dies ein entscheidender Vorteil.

Die Technologie eignet sich besonders für gebäudeintegrierte Photovoltaik, Weltraumanwendungen und schwimmende Solarparks. Erste Feldtests in Saudi-Arabien zeigen, dass die Module auch bei Wüstentemperaturen über 55 °C stabil funktionieren.

Die US-Regierung investiert allein 2024 über 40 Millionen Dollar in die Perowskit-Forschung, die EU fördert mit dem PEPPERONI-Konsortium 17 Unternehmen aus zwölf Ländern.

Ausblick: Die Solarindustrie vor dem Umbruch

Die Perowskit-Tandem-Revolution steht erst am Anfang. Theoretisch sind Wirkungsgrade bis 43% möglich, Dreifach-Tandemzellen könnten sogar 36,6% erreichen. Ab 2027 erwarten Experten die Gigawatt-Massenproduktion, bis 2030 soll die Technologie Kostenparität mit Silizium erreichen. Die Solarbranche steht vor ihrer größten Transformation seit der Erfindung der Siliziumzelle – mit Perowskit-Tandems als treibender Kraft einer nachhaltigen Energiezukunft.

Categories: Blog

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